Jahr 1 war definitiv ein hartes Jahr, ich hatte oft Angst, fühlte mich oft einsam, denn auch wenn man von seinen Liebsten aufgefangen wird, so ist man mit dem ungebetenen Gast im Innersten und den Schmerzen doch alleine. Schwäche macht zusätzlich einsam und schwach war ich oft in diesen zwölf Monaten.
Jahr 1 hat mir Erfahrungen beschert, auf die ich hätte verzichten können. Ich weiß nun, wie es sich anfühlt, die Haare zu verlieren, wie es sich anfühlt, unter Schmerzen den Alltag bewältigen zu müssen, wie es sich anfühlt, die eigene Leistungsfähigkeit schwinden zu sehen, ich weiß nun, wie sich das eigene Spiegelbild nach Operation, Chemotherapie, Kortison, Bestrahlung verändert und das Selbstbewusstsein erschüttert. Ich weiß, wie schwer es manchmal fällt, auf Hilfe und Unterstützung angewiesen zu sein.
Jahr 1 war auch das traurigste Jahr meines bisherigen Lebens, ich bin auf schmerzhafte Art endgültig "erwachsen" geworden. Es stimmt tatsächlich, was landläufig gesagt wird: Erst mit dem Verlust der eigenen Mutter geht die Kindheit wirklich zu Ende.
Jahr 1 war dennoch ein Jahr voll Glück. Lina wurde geboren und schenkt mir mit ihrer sonnigen Art viel Freude. Annika und Yannick haben mir mit ihrer Liebe und ihrem Urvertrauen ins Leben viel Kraft gegeben. Die Liebe zu meinem Mann hat die vielen Bewährungsproben dieses Jahres überstanden. Das Jahr hat mir auch viele Menschen geschenkt, die für mich und meine Familie da waren, die uns mit getragen haben und das auch weiterhin tun.
Jahr 1 hat mir des Weiteren gezeigt, wie viel ich ertragen kann, wie viel ich leisten kann, wie stark ich doch auch bin. Das Attribut "kämpferisch" liegt mir auf der Zunge, aber sinnvoller finde ich "offensiv".
Wo stehe ich heute, nach exakt einem Jahr mit der Diagnose Brustkrebs?
Körperlich geht es mir immer besser, wobei auch Rückschritte zu verzeichnen sind. Ich sehe äußerlich um einiges gesünder aus als noch vor drei Monaten. Dafür tauchen Schmerzen auf, wohl ausgelöst durch die Bestrahlung, die mich immer wieder verunsichern. Auch meine Gelenke und generell mein Immunsystem machen mir Sorgen und lassen immer wieder leider auch negative Gedanken aufkommen. Ich hoffe einfach, dass die Beschwerden "nur" durch die Chemotabletten und Infusionen verursacht werden, mit denen ich nach wie vor therapiert werde.
Ich weiß, dass 2012 ein ganz entscheidendes Jahr für mich sein wird, denn bei triple negativem Brustkrebs tauchen Metastasen gemäß meinem Wissensstand häufig schneller auf als bei anderen Brustkrebstypen und sind dann leider auch in einem kleineren Zeitfenster ultimativer. Ich geb's zu, ich würde gerne, schaffe es aber nicht konsequent, an das Gute zu glauben. Eine gewisse Grundangst ist zu meinem täglichen Begleiter geworden. Zu schaffen macht mir tagtäglich, dass meine Konzentrationsfähigkeit und auch mein Gedächtnis noch immer weit von der alten Form entfernt sind.... hmmm... für eine Perfektionistin im Grunde ein schwer zu akzeptierender Zustand. Ich muss schmunzeln, denn das Jahr hat mich definitiv auch gelehrt, meinen inzwischen nicht mehr so perfekten Perfektionismus mit Humor zu betrachten.
Meine Kinder sind mir die größte Motivation, nach vorne und nicht zurück zu blicken. Die drei kosten viel Energie, geben aber im Gegenzug auch mindestens das Doppelte an Freude zurück. Ich frage mich manchmal, wie ich das Jahr ohne sie gemeistert hätte…., ziemlich sicher nicht so gut, denn Kinderlachen ist die beste Medizin.