„Das wird schon gut, Brustkrebs ist heutzutage doch kein
Problem mehr. Ich kenne da eine Frau, die es geschafft hat.“ Tief einatmen, Lippen
zusammenkneifen, kurz die Augen schließen ... wie auffallend oft ich das oder
so ähnliche Formulierungen doch zu hören bekomme - so auch vergangenes
Wochenende wieder mal. Mpffff.... das sind dann die Momente, in denen ich eigentlich
sagen sollte, dass es doch Quatsch ist, so etwas zu behaupten, ohne wirklich Ahnung zu
haben. Aber was macht Bianca? Nett lächeln, nicken und vielleicht noch in
ruhigem Ton sagen, dass es halt schon komplizierter sei, wenn man plötzlich
selbst betroffen sei und Brustkrebs sowieso nicht gleich Brustkrebs sei und
auch jede Frau andere Voraussetzungen habe, da gebe es doch relevante Unterschiede,
das Alter, die Lebensumstände, den Tumortyp, das Grading und vieles mehr. Aber
ja, natürlich würde ich alles tun, um es auch zu „schaffen“ und auf der
positiven Seite der Statistik zu stehen.
Hinterher ärgere ich mich dann über meine Political Correctness. Aber so bin ich
eben, ich vermeide direkte Konfrontation, tut mir nicht gut, schreibe meine
Gedanken lieber auf, teile sie auf diesem Weg mit und verarbeite sie so für
mich.
Ich weiß ja, dass es nicht so einfach ist für viele „Nicht-Betroffene“,
passende Worte zu finden und im Grunde ist es auch nur gut gemeint. Aber ich
fühle mich bei solchen Pauschalaussagen nicht ernst genommen, fast ein wenig
als Hypochonder abgestempelt, der sich das Ganze nur einbildet und nicht so ein
Tamtam veranstalten sollte, so als hätte ich nur mal eben Schnupfen. Nun ja,
irgendwie kann ich es meinen Mitmenschen dann aber doch nicht verübeln, die
Medien und auch die ärztlichen Statistiken beschönigen enorm. So habe
ich vor Kurzem erst von ärztlicher Seite erklärt bekommen, dass „Überleben“ in den
Brustkrebsstatistiken nur bedeutet, dass eine Erkrankte (oder ein Erkrankter)
nach 5 Jahren noch am Leben ist. Diejenigen, die der Brustkrebs danach
hinwegrafft, fallen aus den Statistiken heraus. Ufff, für wen die wohl geschönt werden? Für die Pharmaindustrie? Warum macht man keine Langzeiterhebung? Metastasen tauchen häufig erst Jahre nach dem Primärtumor auf. Es ist leider nach wie
vor so, trotz all der Forschungserfolge, dass Brustkrebs die mit Abstand häufigste
Todesursache bei Krebserkrankungen von Frauen ist. Mir als Betroffene und
Informierte ist das bewusst, vielen meiner Mitmenschen nicht, darum stellen
sich mir ja auch die Nackenhaare auf, wenn ich mal wieder ein aufmunterndes
Schulterklopfen bekomme mit Worten wie „Kopf hoch, das wird schon, eine
Arbeitskollegin hatte vor ein paar Jahren auch Brustkrebs und sie ist geheilt.“ Da wünschte ich mir mehr Feingefühl. Aber es bringt mich auch irgendwie zum Schmunzeln ... wie gut, dass ich kein zartes Pflänzchen bin und einiges aushalte.
Ein weiteres Ärgernis, wenn auch nur ein winziges, sind für mich Tipps und
Ratschläge ... ungefragt..., wie ich nun leben sollte, was ich ändern sollte,
was man noch alles tun kann, um den Krebs zu besiegen, was der krebskranke Nachbar immer getrunken habe und wie gut es ihm heute gehe, ich solle mir das Zeug doch gleich besorgen und so weiter. Auf Tipps reagiere ich aber
mittlerweile leicht allergisch. Das Problem ist, dass ich mehr als gut informiert bin,
ich habe mich mit meiner Erkrankung eingehend auseinander gesetzt,
Patientenkompetenz nennt man das heutzutage. Zwangsläufig habe ich auch eigene
Erfahrungen gesammelt, habe darüber hinaus viele Frauen während und nach der Chemo und anderen
Therapien kennen gelernt. Eine Erkenntnis gewinnt „frau“ da sehr schnell: Keine
Diagnose ist gleich, keine Therapie ist gleich, keine Reaktion auf die
Therapien ist gleich, keine Prognose ist gleich, kurzum .... wir sind und
bleiben Individuen, ... auch wenn uns eins verbindet, ... die Diagnose
Brustkrebs.
Ich möchte genau deshalb explizit keine Tipps in Bezug auf
den Umgang mit Brustkrebs geben. Das entspricht nicht meinem Naturell. Meine
Erfahrungen und was mir gut getan hat oder noch gut tut, all das muss nicht für
andere gelten. Ich möchte meine Blogposts nicht als Ratgeber verstanden
wissen. Ratschläge zum Thema Brustkrebs geben private, staatliche, institutionelle und kommerzielle
Websites, Bücher, Heiler, Gurus, Zeitschriften usw. mehr als genug, manche
kompetent und hilfreich, manche verunsichernd, manche in meinen Augen
kriminell. Wenn mich jemand explizit um Rat fragt, dann erzähle ich von meinen
Erfahrungen, was mir geholfen hat, mache auch gerne Vorschläge, aber ich maße
mir nicht an, das Patentrezept gefunden zu haben.
Noch heute schüttle ich den Kopf über ein Buch*, das ich letztes
Jahr gelesen habe, den Erfahrungsbericht einer Frau, die auch mit der Diagnose
Brustkrebs konfrontiert wurde – wie ich als Mutter von drei kleinen Kindern. Sie
hat sogar Preise dafür gewonnen. Ich erhoffte mir irgendwie Kraft aus diesem
Buch, erkannte ich doch einige Parallelen. Leider, obwohl die Autorin den Krebs
überwunden zu haben scheint (sie erkrankte vor 15 Jahren), kann ich mich mit
ihrer Art, zu schreiben, nicht anfreunden, denn sie wirkt belehrend, gibt vor
positiv ans Leben zu glauben, obwohl sie auffallend viele negative Erfahrungen
beschreibt, mit Ärzten und Pflegenden zum Beispiel, die in dieser Häufung gar
an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Ihr Weg ist nicht mein Weg, denn sie betont
mehrfach, dass jede, die an Brustkrebs stirbt, im Grunde selber schuld ist,
weil sie nicht ans Leben geglaubt hat. Sehr, sehr einfach ... zu einfach und
eindimensional aus meiner Sicht, die Erklärungen und Tipps der Frau Annette
Rexrodt von Fircks. Ihre Lebensumstände sind dann doch auch nicht meine Lebensumstände (scheinbar Kinderfrau, Haushälterin) und ihre Tipps erscheinen mir zu platt, zu offensichtlich (so von wegen gesund ernähren, an der frischen Luft bewegen und so).
Aber dazu sei gesagt, dass das Buch halt eben für mich nicht
stimmt, für andere wohl schon, sonst wären ihre Erfahrungsberichte nicht so
erfolgreich.
In diesem Sinne gehe ich ihn weiter .... MEINEN WEG .... so
wie Tausende von an Krebs Erkrankten da draußen ihren eigenen Weg gehen ....
und keine(r) von uns ist schuld, wenn es nicht so ausgeht, wie wir uns das
erhoffen und wünschen.
*Annette Rexrodt von Fircks:
...und flüstere mir vom Leben. Wie
ich den Krebs überwand. Ullstein Taschenbuch