Es ist der 11. August 2011, an dem ich wieder eine meiner Hürden überspringe. Acht Chemozyklen ... ich habe sie hinter mich gebracht. Erfolgreich? Das kann leider niemand nachprüfen, schön wäre es, zu wissen, ob ..., nein eher, dass ...
Mhm... jetzt kommt das Absurde daran: Die meisten meiner Mitmenschen sagen mir, du musst erleichtert sein, du hast es geschafft, das Schlimmste hast du überstanden.
Nun ja, das bin halt mal wieder ich, ganz typisch, ich ticke manchmal anders: Ich bin traurig, verängstigt, fühle mich wie im luftleeren Raum, dass die Chemozeit so schnell vorbei ging. Warum? So sicher werde ich wohl nie mehr in meinem Leben sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass während der Chemo ein neuer Tumor und/oder Metas gebildet werden, ist eher gering, aber danach ... ja, da erholen sich die Zellen und damit auch die unter Umständen resistenten Krebszellen. Klar, die operierte Brustseite wird noch bestrahlt, aber eben nur die Brust, nicht der ganze Körper. Was, wenn da schon ein paar fiese Schläferzellen irgendwo im Knochenmark oder im Gehirn sitzen und darauf warten, loszuschlagen? Die muss ich jetzt bekämpfen, auch prophylaktisch, nicht erst, wenn sich weitere Abgründe auftun und meine Lebenserwartung um ein paar Jahrzehnte runterschrauben.
Ich beschließe, meine Internetrecherche zum Thema zu vertiefen und meinen Onkologen zu beschwatzen, noch mehr zu machen. Ich halte viel aus, körperlich wenigstens, das habe ich in den vergangenen Monaten bewiesen.
Ich stoße auf unzählige Studien, die meisten unbrauchbar, aber da sind zwei, die mich hellhörig werden lassen. Blöd ist nur, dass die Kosten dieser Therapien erst von der Krankenkasse übernommen werden, wenn schon Metastasen vorhanden sind. Aber, mal ganz nüchtern gesagt, für 4 Monate mehr Leben will ich das Zeug nicht erst haben, sondern lieber jetzt, damit es gar nicht erst so weit kommt.
Der arme Doc, ich beschwatze ihn ohne Gnade, und die Ernüchterung folgt schnell. Meine Vorschläge machen aus seiner Sicht wenig Sinn, aber er ließe sich auf eine der beiden Therapien ein, auch wenn er der Meinung sei, dass es sich dabei nur um professurale Selbstbefriedigung handle. Schließlich seien manchen Forschungsgruppen Gelder zugesprochen worden, die noch ausgegeben werden müssten, und Forschung begebe sich oft auch in den Leerlauf, denn schließlich wolle Herr oder Frau Doktor auch noch habilitieren, eine Professur sei erstrebenswert und lukrativ, also müsse man veröffentlichen, ob es nun sinnvoll sei oder nicht.
Vielleicht hat er ja Recht, ich bin ja auch der Meinung, dass Hardcore-Akademiker manchmal den Blick fürs wirklich Praktikable verlieren. Aber ich habe dazu noch eine Dokumentation auf Arte gesehen, die bei mir den Eindruck hinterließ, dass die Risiko-Nutzen-Abwägung zu meinen Gunsten ausfallen würde. Wovon ich rede? Von jährlich zwei Infusionen mit einem Mittel gegen Knochenschwund (Zometa), das etwaige Schläferzellen einkapseln soll. Die Universität Essen verzeichnet damit nachweisbar Erfolge. Leider gibt es da auch ein paar Nebenwirkungen, ähnlich denen nach Chemo-Infusionen. Meinen Zahnarzt sollte ich dann auch noch informieren, denn während der Behandlung, die mehrere Jahre dauert, sollte bei Zahn-OPs immer mit Antibiotika behandelt werden, sonst könnte mein Kieferknochen „zerbröseln“, Kiefernekrose nennt sich das dann und das wäre sicher nicht gut für die Lebensqualität. Die Kosten? Die halten sich im Rahmen und die etwa 1000 bis 1500 Franken im Jahr zusätzlich werden wir hinbekommen. Demnächst wird meine Knochendichte gemessen und dann bestimmen wir den Zeitpunkt der Infusionen.
Onk(o)el Doc schlägt darüber hinaus vor, dass ich für ein Jahr metronomisch Chemo machen könnte, das heißt niedrig dosiert (zumindest niedriger als die Infus) zwei Zytostatika in Tablettenform, leider täglich. Der nüchterne Wissenschaftler in ihm betont, dass es sich dabei um ein wissenschaftlich nicht nachgewiesenes Erfolgsrezept handle, aber seine Erfahrung damit sei sehr gut und er würde mir damit nicht schaden, denn das wolle er ja gerade verhindern. Ich stimme zu, denn das kommt meinem Sicherheitsbedürfnis natürlich sehr entgegen, die Krebszellen kommen für ein Jahr unter Dauerbeschuss, ohne Pause. Leider bedeutet das andererseits, dass ich häufiger kontrolliert werden muss, vor allem meine Nierenwerte, weil die Medis den Nieren heftig zusetzen können.
Ich bin froh, dass jetzt endlich entschieden ist, wie es weitergeht, denn die Suche nach Möglichkeiten ist zeitaufwändig, anstrengend, eheschädigend und zermürbend.
Jetzt kann ich nach vorne blicken und auf meine Art auch neuen Mut fassen, denn der ist - nein besser war - mir zwischenzeitlich immer wieder abhanden gekommen.
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